O du liebe weite Welt
Von Philipp Beyer


O du liebe weite Welt -
Schon wieder drückst du mich
An deine Brust so fest!

Dänisches Lied der Å und Ø, du hast dich
Eingeschlichen wieder,
Seeland, Inseln, hohe Brücken,
Mühlen, Moränenhügel.

Hier wieder Eisenbahn und Liegewagen,
Como, Chiasso, Milano, Bologna;
Heiteres Lied des Südens,
A Riola di Ca’ d’Orsino;
Grünes Land der Alten, die kamen,
Schwarzer Hut und dunkles Auge,
Mächtiger Schnurrbart,
Hoch die Ärmel,
Schipp und Pickel; sie legten
Uns die Gleise durch den Wald;
Sie aßen im Regen, nass, am Feuer
Und aus der Faust; sie zogen das Messer
Und spielten tragisch die Väter
Des Romeo und der Julia...

Schnell, wie schnell du mich hast, schon wieder,
Slowenisches Lied du,
Zpraznijo und Poveznijo,
Und auch ihr, die walisischen Gärten,
Grün und mild an grauen Mauern aus Granit,
Keltische Legendenwelten,
Die an uns alle drängt das übergroße
Bretonische Meer.

O ihr weiten blutgetränkten Felder Flanderns,
Mohn und Kanonen,
Zwischen Gedonner Lerchengezwitscher;
Und Haarlem und Amsterdam;
Und Mädchen blond wie Sand;
Und ihr nicht zuletzt, die spitzen Kirchen
Aus Holz im schwedischen Regen und Wald;
Und der Fluss,
Und im Laden von der Verkäuferin
Das helle Hej.

Du quälst mich nicht, kastilisches
Niemandsland im Gewitter;
In der Hirtenhütte, Steine stinkend,
Dick Brot, Omelett;
Die Wüste rot und gelb;
Der brennende Frauenblick,
Geschlossen schnell das Fenster;
La Mancha, con pan y vino
Se anda mejor el camino;
Fest gepackt der Rucksack rot.

Dich holen Tras-Os-Montes die Wölfe.

Weiße Nächte an der vereisten Theiß.

Voyage, du hast mich im Griff.
Voyage, mich drückst du schwer, du,
An deine Brust, einmal wieder;
Du kannst das.
Frankfurt, Basel, Mailand,
Autobahn, Grenzkontrolle,
Oder einfach Donon und Schneeberg,
Einfach Hirsch und Wildsau...
O du weite Welt der nahen und engen Täler,
Der buckligen Höhen;
Heideheidelbeere an der Quelle
Der Roten Saar, der Weißen, der Gelben Zorn,
Gepflückt im Sommerregen,
Einfach,
Du liebe weite Welt.



© 2002 Ph. Beyer







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